Was passiert, wenn man mit Wasserfall-Denkweise versucht, agil zu arbeiten

Die meisten Schmerzen im agilen Arbeiten entstehen, weil der Kern der Agilität nicht verstanden wurde. Wenn lediglich Bezeichnungen, Teile oder Regeln von agilen Methoden eingeführt werden, sich aber an den dahinterliegenden Strukturen und Denkweisen nichts geändert hat, können sich die Vorteile des agilen Arbeitens auch nicht entfalten und die vorhandenen Probleme verschlimmern sich meist stetig.

Dass genau dies in Organisationen dennoch immer noch häufig passiert, zeigt die tiefe Prägung der vorherrschenden Arbeitsweise nach dem sogenannten Wasserfall-Modell.

Warum das Wasserfall-Modell das Gegenteil vom agilen Arbeiten ist

Im Wasserfall-Modell des klassischen Projektmanagements, werden Projekte linear und in aufeinanderfolgenden Phasen organisiert. Dabei ist jede Phase eindeutig vordefiniert und verbindlich. Eine Phase wird nur einmal durchlaufen und abgeschlossen, bevor die nächste begonnen wird. Ähnlich eines Kaskadenwasserfalls, indem das Wasser von einer Kaskade in die nächste läuft.

Dahinter steckt der Gedanke, dass wenn ich im Vorfeld alles genau plane, ich Probleme erkennen und lösen kann, noch bevor sie entstanden sind. Die Durchführung ist dann reine Formsache, die schnell und ohne Stolpersteine passieren kann.

Entgegen diesem starr vorgegebenen Ablauf ist Agilität mitsamt der agilen Methoden per Definition beweglich. Fehler sind Potenziale zur Weiterentwicklung und die oben erwähnten Phasen sind als Kreislauf zu sehen. Sie wiederholen sich konstant umso früh wie möglich Feedback einholen und sich daraufhin weiterentwickeln und verbessern zu können. So entstehen Lernschleifen mit hoher Steuerungsmöglichkeit. Und im Gegensatz zu einem einzelnen Ergebnis am Ende eines Projekt, gibt es schon früh und über das Projekt verteilt einen kontinuierlichen Wertstrom.

Agile Methoden ohne agile Werte

Dieses Vorgehen in Lernschleifen speist sich aus den agilen Werten und Prinzipien. Sie im Kern zu verstehen ist genauso wichtig, wie zu wissen, dass agile Methoden ihre volle Wirkung bei der Bewältigung von komplexen Herausforderungen entfalten. Das bedeutet, sie sind für Situationen entwickelt worden, in denen Ursache- und Wirkungszusammenhänge nicht im Voraus, sondern erst im Nachhinein erkennbar sind. Also für Situationen, in denen eine Analyse im Vorfeld nicht möglich ist und es somit nicht erkennbar ist, welches die richtige Lösung sein könnte. Sie findet sich nur durch Ausprobieren.

Wer in einem solchen, komplexen Umfeld versucht, die Lösung trotzdem im Vorfeld durch einen Plan nach Wasserfall-Methode festzulegen, wird mit späten Überraschungen und Problemen kämpfen und Abstriche im Umfang und/oder der Qualität machen. Auch Kund*innenbedürfnisse werden so kaum zu berücksichtigen sein, von einem effektiven Risikomanagement ganz zu schweigen. Es wird nicht funktionieren, an der Illusion der Sicherheit, sowie dem eigenen Vorgehen festzuhalten. Auch können Fehler nicht um jeden Preis vermieden werden.

Ähnliche Resultate erhalten Verantwortliche, wenn agile Methoden oder Teile von ihnen eingeführt werden, die dahinterliegende agile Denkweise aber außen vor gelassen wird. Wer beispielsweise während eines Sprints nicht regelmäßig Zwischenstände testet (weil das im Wasserfall-Vorgehen nicht vorkommt), sondern erst ganz am Ende einen Test plant, findet sich am Sprintende vor einem Berg von Tests wieder und hat keine Zeit mehr, eine herausgefundenen Verbesserung tatsächlich anzuwenden oder die Tests überhaupt durchzuführen. Im schlimmsten Fall, ist das Team gleich zu Beginn falsch abgebogen. Das fällt dann erst am Sprintende auf, woraufhin für die Tonne produziert wurde und gar kein brauchbarer Zwischenstand vorliegt.

Wasserfall-Methoden und komplexe Herausforderung passen nicht zusammen

Stellen die Beteiligten dann fest, dass der festgelegte Plan nicht funktioniert und doch erneut angefasst werden muss, „hat jemand nicht gut genug geplant oder nicht gut genug gearbeitet“ oder „Scrum hat eben nicht funktioniert“. Die Fehlersuche findet im Wasserfall-Denkraum statt und so fällt nicht auf, dass die eigentliche Ursache genau dieser Denkraum ist.

Diese Erkenntnis wird erst möglich, wenn die Bereitschaft entsteht, Gewohntes zu hinterfragen und sich tatsächlich zu verändern. Auch, wenn das bedeutet, Fehler wertschätzen zu lernen und sich von der Illusion der Sicherheit zu verabschieden.

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