Wann sind agile Methoden sinnvoll und wann nicht?

Immer öfter heißt es in Unternehmen: „Wir sollten jetzt auch agil werden.“ Denn die Vorteile liegen klar auf der Hand und man liest und hört ja auch immer mehr von Agilität. Außerdem machen sich die Folgen der sich verändernden Arbeitswelt dann auch doch so langsam bemerkbar. Also los!

Und so überspringt ein Unternehmen unbemerkt eine Frage, die bei der Einführung von agilen Methoden unabdingbar ist: Ist es für uns überhaupt sinnvoll agile Methoden einzuführen? Wurde diese Frage nicht im Vorfeld beantwortet, sind die ersten Probleme vorprogrammiert.

Denn: Agile Methoden sind kein Allheilmittel! Auch, wenn das viele gerne hätten. Und somit sind sie auch nicht in allen Fällen eine gute Idee.

Start vor dem Start: Die Umfeldanalyse

Bevor sich die Verantwortlichen eines Unternehmens also damit beschäftigen, welche agilen Methoden zu ihnen passen, sollten sie die Herausforderungen mit samt der inne liegenden Komplexität unter die Lupe nehmen, mit denen sie im Unternehmen oder in Projekten umgehen müssen.

Dies bildet die Grundlage für die Entscheidung für oder gegen agile Methoden. Denn: Die Art von Herausforderung bestimmt die beste Arbeitsweise. Um herauszufinden, mit welcher Art von Herausforderung ein Unternehmen zu tun hat, kann das Cynefin Framework als Tool genutzt werden.

Das Cynefin Framework als Hilfetool

Das Cynefin Modell setzt sich aus 5 Feldern zusammen, welche die möglichen Herausforderungen beschreiben:

Bei einfachen Herausforderungen gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Die Herausforderung kann also erkannt und beurteilt werden. Dann kann eine Reaktion erfolgen. Das bedeutet, dass es eine richtige Antwort gibt. Und was schon mal funktioniert hat, wird in der Regel auch wieder funktionieren.

Auch bei einer komplizierten Herausforderung gibt es einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Dieser ist jedoch nur mithilfe von Fach- oder Expertenwissen erkennbar. Nur so kann die Herausforderung erkannt und beurteilt werden und man kann auf sie reagieren. Und es gibt nicht nur eine richtige Antwort oder einen richtigen Weg das Problem zu lösen, sondern es gibt verschiedene Varianten, die möglich sein können.

Bei komplexen Herausforderungen sind Ursache und Wirkung im Vorfeld nicht mehr klar zuzuordnen. Würde man hier ähnlich vorgehen, wie bei einfachen oder komplizierten Herausforderungen, würde man sich a vornehmen, weil man denkt, dann wird b dabei raus kommen. Tatsächlich kommt aber c dabei raus – oder y. Der Zusammenhang ist erst im Nachhinein erkennbar. Die beste Art mit komplexen Herausforderungen umzugehen, ist daher, etwas auszuprobieren, dann zu erkennen, was passiert ist (Ist meine Hypothese eingetroffen oder nicht?) und dann darauf zu reagieren und beispielsweise Aspekte zu ändern. Und dann das Ganze zu wiederholen.

Gibt es hingegen chaotische Herausforderungen, sind weder im Vorfeld, noch im Nachgang Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung zu erkennen. Die einzige Chance, im Chaos zu agieren ist: Zu Handeln, dann zu erkennen, was passiert ist und daraufhin zu reagieren.

Das fünfte Feld (Unordnung) beschreibt einen Zustand, indem alles unklar ist. Sprich: Entweder sind die Herausforderungen nicht bekannt, oder man weiß zu wenig, um sie einem der vorhergegangen Felder zuordnen zu können.

Komplexe Herausforderungen: Die Heimat der Agilität

Agiles Arbeiten bedeutet heruntergebrochen auf ein Minimum: Inspektion, Adaption und Transparenz. Wer agil arbeitet, probiert ständig etwas aus, analysiert und dreht dann die nächste Schleife. Damit sind agile Methoden die optimale Vorgehensweise bei komplexen Herausforderungen.

Wasserfallartige Herangehensweisen oder klassische Managementstile und -systeme funktionieren bei komplexen Herausforderungen hingegen nicht gut. Das wird beispielsweise daran offensichtlich, dass die Pläne an Tag zwei schon nicht mehr stimmen, weil sich ein Aspekt geändert hat und dass ab diesem Moment dem Zeitplan hinterhergelaufen wird. Durch ein klassisches Vorgehen macht es sich ein Unternehmen hier unnötig schwer. Im Gegensatz dazu kann durch das zyklische Arbeiten agiler Methoden viel besser auf das reagiert werden, was kommt und bisher nicht absehbar war.

Kommt daher bei der Analyse der Herausforderungen heraus, dass ein Unternehmen oder ein Team hauptsächlich komplexe Probleme bewältigen muss, ist das Einführen von agile Methoden grundsätzlich sinnvoll.

Agile Methoden zur Lösung einfacher, komplizierter und chaotischer Herausforderungen

Wenn bei der Analyse jedoch herauskommt, dass die Tätigkeiten oder Herausforderungen, eines Projekts oder Unternehmens vorwiegend einfach oder kompliziert sind, sind agile Methoden sehr wahrscheinlich nicht notwendig.

Ein Beispiel für einfache Herausforderung ist die Sachbearbeitung. Hier ist die Aufgabe bekannt und jede*r weiß, wie er*sie sie erledigen kann. Dass dabei Überraschungen auftreten ist fast ausgeschlossen. Der Umgang mit den Aufgaben funktioniert bereits und muss daher nicht von Grund auf erneuert werden.

Ebenso ist es mit komplizierten Herausforderungen – beispielsweise dem Bau von Brücken. Grundsätzlich ist klar, wie man eine Brücke baut, sodass ein Auto drüber fahren kann, ohne, dass diese zusammenbricht. Dieses Wissen muss lediglich von einem*einer Spezialist*in an die Gegebenheiten eines bestimmten Ortes angepasst werden.

Natürlich können bei einfachen und komplizierten Herausforderungen agile Aspekte gut tun. Aber eine generelle Umstellung wird nicht benötigt.

Chaotische Herausforderungen hingegen sind nie vorhersehbar. Weil nicht klar ist, womit man es zu tun haben wird, kann auch im Vorfeld keine Vorgehensweise geplant werden. Das einzig mögliche und sinnvolle ist, in der Situation etwas auszuprobieren und zu schauen, was passiert und dann daraus zu lernen.

Wenn agil, dann alles?

Sollte bei der Analyse herauskommen, dass ein Unternehmen mit verschiedenen Arten von Herausforderungen an unterschiedlichen Stellen umgehen muss und somit auch verschiedene Arbeitsweisen sinnvoll sein können, empfiehlt es sich, als Unternehmen ein gemeinsames Verständnis einer neuen Organisation zu finden.

Ziel ist es, einen Weg zu finden, auf dem alle bestmöglich miteinander und auf Augenhöhe arbeiten können, ohne, dass sich agile und eventuell nicht agile Arbeitsweisen gegenseitig blockieren.

Ein Unternehmen sollte sich also im Vorfeld nicht nur fragen ob agile Methoden sinnvoll sind, sondern auch, an welchen Stellen und welcher Kontext dies möglich machen kann.

Die Analyse der Strukturen und Werte

Agiles Arbeiten bedeutet jedoch nicht nur Arbeiten nach agilen Methoden, sondern auch nach agilen Werten und Prinzipien. Daher sollten sich Verantwortliche nach der Analyse der Herausforderungen auch die eignen Werte und Strukturen anschauen.

Welche direkten Beteiligten gibt es? Welche Stakeholder? Und mit welchen Rahmenbedingungen und Werten wird (zusammen-)gearbeitet? Und ist das, was man vorfindet kompatibel mit agilen Werten und Prinzipien oder noch sehr weit davon entfernt? Das können zum einen die Teams eigenständig beurteilen, oder eben ein* externe*r Coach*in. Und zu Letzt: Findet das Team die agilen Werte und Prinzipien überhaupt erstrebenswert?

Je weiter weg der eigene Stand gerade ist, desto länger wird logischerweise der Weg und desto mehr muss sich verändern. Das ist per se nicht schlimm, sollte jedoch bewusst sein.

Ein Unternehmen sollte sich daher genau kennen, um zu entscheiden, ob agile Methoden überhaupt einen sinnvollen Mehrwert stiften können. Erst, wenn die Herausforderung, die eigenen Probleme, Strukturen, Werte und Wünsche klar sind, kann die Frage angegangen werden: Welche agile Methode passt zu uns?

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