Wenn Menschen den Großteil des Tages mit anderen Menschen verbringen, dann suchen sie sich diese Menschen am besten selber aus. Wie sonst sollen sie feststellen, ob sie sich gut verstehen und miteinander umgehen können oder nicht?
Während das im Privaten für die meisten wohl selbstverständlich ist, ist es im beruflichen Kontext eine absolute Ausnahme. Dabei hat es viele Vorteile, wenn Teammitglieder*innen sich ihre Kolleg*innen durch das sogenannte Peer Recruiting selber aussuchen können.
Wer entscheidet wer eingestellt wird und warum?
In der Regel werden Personalentscheidungen von Personaler*innen und Abteilungsleiter*innen getroffen. Meist hinter verschlossenen Türen. Auch bei vielen Unternehmen, in denen die Teams eigentlich selbstorganisiert arbeiten, ist dies gängige Praxis. Die beteiligten Teams werden dann vor vollendete Tatsachen gestellt. So verschenken viele Unternehmen die Chance, Mitarbeiter*innen zu finden, die optimal zu ihnen passen.
Denn Personalentscheidungen können genauso selbstorganisiert vom Team getroffen werden, wie andere das Team betreffende Entscheidungen. Beim Peer Recruiting liegt die Personalverantwortung daher komplett in den Händen des Teams.
Denn was hilft es, wenn sich der*die Bewerber*in mit der Person aus der Personalabteilung und dem*der Abteilungsleiter*in versteht, aber nicht mit den Kolleg*innen, mit denen sie*er tatsächlich zusammenarbeitet. Oder wenn ein*e Interessent*in abgelehnt wird, weil seine*ihre formellen Skills nicht der Ausschreibung entsprechen, obwohl er*sie andere Fähigkeiten mitgebracht hätte, die das Team sehr gut ergänzt hätten.
Wenn die Erweiterung des Teams mit all seinen Stufen in die Hände des Teams gelegt wird, die die Veränderung betrifft, können die Teammitglieder*innen selbst dafür sorgen, dass die neue Person genau die Fähigkeiten und die Persönlichkeit mitbringt, die das Team ergänzt und weiterbringt. Aus diesen Gründen betreibt auch Veraenderungskraft Peer Recruiting. So sind beispielsweise Hannah und Lena im vergangenen Jahr Teil des VK-Teams geworden.
Peer Recruiting: Wie geht das?
Steht eine Personalentscheidung in einem Unternehmen an, welches per Peer (also betroffene Gruppe) Personalentscheidungen trifft, so startet das Recruiting in der Regel damit, dass ein Team signalisiert, dass es Verstärkung benötigt. Daraufhin wird im Unternehmen besprochen, ob die Einstellung eines*einer zusätzlichen Mitarbeiter*in möglich ist. In der Regel wird dem Wunsch nachgegangen, denn alle gehen davon aus, dass die Teammitgieder*innen als Betroffene am besten einschätzen können, ob eine zusätzliche Person wirklich notwendig ist oder nicht.
Ist die Entscheidung für eine neue Stelle getroffen worden, stellt die Peer Anforderungen für die Bewerber*innen auf. Sie überlegen gemeinsam, was sie erwarten, was ihnen wichtig ist, wo sie als Team hin wollen und wie jemand sein sollte, der dies ermöglicht. Daraufhin erstellen und publizieren sie eine passende Ausschreibung. In der Folge sichten alle die Bewerbungen und entscheiden gemeinsam, wen der Bewerber*innen sie näher kennenlernen und zu einem Vorstellungsgespräch einladen wollen.
Das gemeinsame Kennenlernen
Das Vorstellungsgespräch findet daraufhin ebenfalls mit allen statt, die zukünftig mit dieser Person zusammenarbeiten würden. So haben beide Seiten die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen und aus der Praxis zu berichten. Die Teammitglieder*innen können so, genau die Fragen stellen, die für die tatsächliche Arbeit relevant sind und können genauso unmittelbar aus der Arbeitspraxis berichten.
Und am wichtigsten: Das Team kann herausfinden, ob der*diejenige das Team persönlich gut ergänzt und in die Unternehmenskultur passt. Denn: Die Person kann noch so gut in dem sein was sie tut, wenn es nicht passt, passt es nicht. Und dann entstehen früher oder später Probleme.
Theater spielen bringt langfristig gesehen niemandem etwas
Genauso wichtig ist, dass niemand der Beteiligten etwas vorspielt, sondern alle ehrlich und transparent sind und dies auch so kommunizieren. Es bringt niemandem etwas, wenn man im Laufe des Prozesses dann irgendwann feststellt, dass die Dinge doch anders sind, als man dachte.
Hat das Team eine Auswahl der Bewerber*innen kennengelernt, kann es gemeinsam entscheiden, wer zum Probearbeiten eingeladen wird und schlussendlich, wer das Team in Zukunft ergänzen wird. Und: Wer eingestellt wird, gehört zum Team. In gleichberechtigter Position. Alle Teammitglieder*innen sind gleich wichtig für das Team, unabhängig davon, wie lange sie schon dabei sind oder wie viel oder wenig Erfahrung sie haben.
Teamverantwortung ist mehr als das Einstellen von Mitarbeiter*innen
Beim Peer Recruiting übernimmt das Team nicht nur die Verantwortung für das Einstellen von neuen Teammitglieder*innen, sondern auch für das Entlassen von Kolleg*innen. Das ist nicht immer einfach, gehört aber dazu.
Natürlich ist das Übernehmen von Verantwortung im Team in der Regel keine Fähigkeit, die von heute auf morgen einfach so vorhanden ist. Wie auch bei anderen agilen Methoden oder Werten sollte auch ein Peer Recruiting von einem Coach begleitet und mit Teamentwicklung kombiniert werden.
Wenn aber ein Team tatsächlich motiviert und befähigt ist, die Personalverantwortung zu übernehmen, wird es in Summe sehr viel glücklicher und erfolgreicher zusammenarbeiten als zuvor.